(M)Ein Adventskalender (6) - heute öffnen wir das sechste Türchen/Fensterchen
Das war vielleicht ein Nikolausabend! Leo und Jule haben ihre erste Begegnung mit dem Nikolaus souverän gemeistert (Herbert war einsame Spitzenklasse!). Als wir uns dann zu einer kleinen Manöverkritik noch kurz in Güls zusammensetzten, erreichte Herbert - Gladbach-Fan seit Kindertagen - die unglaubliche Horrormeldung, dass der FC-Freiburg bei den Gladbachern bereits nach einer halben Stunde fünf Buden gemacht hatte - unfassbar, unglaublich, schockierend (Endergebnis: 0:6!!!). Die Gladbacher überließen dem Freiburger Nikolaus und seinem Knecht Ruprecht die Arena ohne nennenswerte Gegenwehr. Natürlich war dieser Kantersieg auch ein Verdienst des dienstältesten Bundesligatrainers Christian Streich (Jahrgang 1965).
Gladbach - die ganze Bundesliga - geht mir seit einigen Jahren ziemlich am Arsch vorbei. Eine kleine Ausnahme bilden die Freiburger aus vielen Gründen, nicht zuletzt wegen ihres Trainers, Christan Streich. Ich hatte Gelegenheit ihn näher kennenzulernen - nein, nicht persönlich, aber über ein Interview, das Arnfried Schenk und Urs Willmann mit ihm für die ZEIT ((49/21, S. 45) führen konnten. Für einen erfolgreichen Bundeligatrainer eine durchaus außergewöhnliche Karriere:
Christan Streich erzählt:
- Er entstamme einer Arbeiter bzw. Handwerkerfamilie; sein Vater führte "eine kleine Metzgerei";
- da habe sich die Hauptschule so ergeben: "Schließlich konnte ich ja kein Standarddeutsch, ich bin in Eimeldingen aufgewachsen, einem kleinen Dorf an der Grenze zur Schweiz. Im Diktat hatte ich immer viele Fehler, obwohl ich schon viel las. Aber ich hab halt Alemannisch geschwätzt."
- Christian Streich macht eine Lehre zum Industriekaufmann, holt mit 25 das Abitur nach und kickt nebenher.
- Mit 28 schreibt er sich für ein Lehramtsstudium (Geschichte/Germanistik) ein, fremdelt aber: "Ich weiß noch, wie ich in die Universität reingelaufen bin und dachte: 'Da gehöre ich nicht hin.' Angst vor Referaten hatte ich auch, wegen meinem Alemanisch."
- Er legt das Erste Staatsexamen ab, bricht aber das Referendariat nach vier Monaten ab: "Ich fühlte: Der Fußballplatz ist für mich doch besser als das Klassenzimmer."
Mich faszinieren vor allem die Motive, die Christian Streich veranlassten sowohl Abitur als auch Studium zu absolvieren. Denn hier decken sich zunächst einmal meine sozialisationsspezifischen Hintergründe mit denen von Christian Streich. Dazu führt er folgendes aus:
"Hinzu kam ein Interesse an der Geschichte des 20. Jahrhunderts und dem Nationalsozialismus. Von meinen Großvätern ist der eine im Krieg gefallen, und der andere hat nicht mehr geredet - er war in Rußland. Ich wollte wissen, was da war. Mit elf oder zwölf haben sie uns in der Hauptschule einen Film über Auschwitz gezeigt. Relativ unvorbereitet. Die Viehwaggons voll mit Menschen, die umgebracht wurden. Das war ein Schock. Er hat mich getroffen und bis heute geprägt. Ich wollte wissen, was in diesem Land passiert ist."
Christian Streich ist 13 Jahre jünger als ich. Aber in dem von ihm geschilderten Motiv, wissen zu wollen, was den Nationalsozialismus ausgemacht hat, was ihn ermöglicht hat - und ich möchte hinzufügen, was ihn für ein gewisses Klientel wieder hoffähig macht, gibt es einen zentralen gemeinsamen Antrieb. Denn ich bin mir sicher, dass Christian Streich sicher keine Gelegenheit auslassen wird, um deutlich zu machen, wie er AfD-Aktivisten wie Gauland, Höcke, Brandner und anderen sieht und für wie unfassbar er das Anknüpfen an die nationalsozialistische Ideologie in der Gegenwärt hält. Mein gesamter Blog (z.B.: Der Vorleser oder die Theorie des Referenzrahmens) steht für eine gleichgelagerte Grundhaltung! Trainer dieses Kalibers tun jeder Fußballliga und jeder Gesellschaft gut!
Kleine Nachbemerkung, die den besonderen Charakter Christan Streichs bekräftigen: Als ich gestern nach Spielende das Resümee Christian Streich zu seinem Husarenstreich in Mönchen-Gladbach anhörte, waren da wieder Zwischen- und Untertöne, die im Profi-Fußball äußerst selten sind und aufhorchen lassen: Er meinte nach einem solchen Kantersieg könne und müsse man mit dem Gegener mitfühlen. Es sei nicht angenehm eine solche Niederlage im eigenen Haus hinnehmen zu müssen - das alles ohne Häme, dafür mit Anstand und Haltung! Chapeau Herr Streich!