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Axel Hacke - Danke (:-))

Danke – Axel Hacke, sagt einer, der zum Lachen in der Keller geht (das meint immerhin meine Schwester)

Nun ich habe heute Morgen in einer Viertelstunde Nummer I gelesen aus Deinem Büchlein Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte (schon in der 3. Auflage bei DuMont in Kölle) und habe immerhin geschmunzelt. Axel Hacke schreibt übrigens für Ursula und Anne, Max, Marie, David und Josi – das ist mir sympathisch. Aber sodann rückt schon die Frage in der Vordergrund, wie er das wohl jetzt machen wird. Ich weiß es noch nicht so ganz genau. Ich habe erst das erste von 27 Kapitelchen gelesen. Aber da gelingt dem Axel Hacke etwas – Axel Hacke, im Januar 1956 geboren (der goldene Jahrgang meiner Frau). Wir sind also nur vier schlappe Jährchen auseinander. Und dann passiert’s. Dem Axel Hacke gelingt es, mich unversehens in die frühen 60er Jahre zurück zu katapultieren.

Heute Morgen scheint die Sonne. Es wird gewiss ein heiterer Tag. Und die zwei Sätze, die ich nun lese, lassen mich gespannt erwarten, was da kommen mag: „Wenn ich das Wort heiter höre, denke ich immer zuerst daran, wie gerne ich ein heiterer Mensch wäre, gelassen, entspannt, leicht durch den Tag schwebend. Ich denke an den Neid, wenn ich Menschen begegne, die sich so im Leben bewegen. Zweitens aber fällt mir stets eine Fernsehsendung ein, die in meiner Kindheit überaus beliebt war. Sie hieß Was bin ich? Ein heiteres Beruferaten. Den ersten Satz hat Axel Hacke bei mir abgeschrieben (kleiner Scherz am Rande).

Die dann folgenden schichten Sätze lassen das schlichteste aller Fernsehformate meiner Kindheit und Jugend in mir aufleben. Und augenblicklich falle ich sanft in eine Welt zurück, die nie nur heiter, die nie nur leicht, die nie nur unbeschwert war. Und dennoch: So wie Axel Hacke mit den Details die besondere Aura beschreibt, die Robert Lemke in die frühabendlichen Wohnzimmer zauberte, spüre ich augenblicklich, dass hier tatsächlich eine Welt – auch in mir – wiederbelebt wird, die für einen Wimpernschlag Spannung und Heiterkeit erlaubt(e). Wir gehörten zu den 75% - eine heute unfassbare, eine undenkbare Einschaltquote -, die ganze Familien an den Bildschirm fesselte (wie übrigens Sport-Spiel-Spannung mit Sammy Drechsel und Klaus Havenstein).

Und es braucht kein Erinnerungsbemühen – augenblicklich erscheint der gelassen-joviale Robert Lemke faltengetreu vor meinem geistigen Auge und stellt die Frage: „Welches Schweinderl hätten’S denn gern?“ Warum? Axel Hacke hat die Antwort:

„Und es begann die Fragerunde, meistens mit Sätzen wie: Sind Sie mit der Herstellung oder Verteilung einer Ware beschäftigt? Könnte auch ich zu Ihnen kommen? Könnten Sie diesen Dienst an mir vollbringen? Lautete die Antwort Ja, durfte der Fragende weitermachen, kam ein Nein, ging das Fragerecht an den Nächsten weiter. Lemke warf dann klappernd ein Fünf-Mark-Stück ins Schweinderl und klappte ein Nummernschild um, auf dem die Zahl der Neins verzeichnet war. Nach zehn Neins war Schluss – oder eben, vorher, wenn der Beruf erraten war. Dies alles in großer Ruhe und ohne jedes künstliche Drama. So ging das. Am Schluss setzten die Ratenden Masken auf, die ihre Augen verbanden. Ein Prominenter erschien, es ging beim Raten um seinen Namen. Er durfte kein Wort sprechen, denn mancher hätte ihn ja schon an der Stimme erkannt. Er nickte also nur dem Moderator zu. Oder er schüttelte den Kopf. In den besten Jahren lag die Einschaltquote bei 75 Prozent.“ (S. 13) Und Axel Hacke nimmt zum Schluss noch einmal die Kurve zu Robert Lemke und enthüllt vor meinen Augen ein Geheimnis, das die schon oben beschriebene untergegangene Welt umhüllt. Nicht, dass wir uns an der Stelle missverstehen. Diese untergegangene Welt ist zu Recht untergegangen: (Kapitel 13 KvS II Don’t ask - mit ein wenig Geduld wird man fündig(:-))

„Es wurde viel gelacht in der Sendung. Die Ratenden begaben sich auf Irrwege, sie hielten den Menschen, der vor ihnen saß, für etwas, das er nicht war. Und da wir, vor dem Fernseher sitzend, dank der erwähnten Einblendung die Wahrheit kannten, wussten wir um die Irrtümer. Das war an sich schon lustig und wurde noch lustiger durch kuriose, schlaue, witzige Fragestellungen und die Kommentare des Moderators Robert Lemke …] Das Lachen, das Lustige gehörten zum Heiteren des Abends. Es hieß: Das hier ist alles nicht so wichtig. Es ist ein kleines entspanntes Spiel, keine große Show. Niemand wird mit Getöse vorgestellt, nie ist es laut in der entspannten Runde im unspektakulär eingerichteten Studio, in dem Lembkes Foxterrier Struppi (nach dessen Tod Nachfolger Jacky) das Geld bewacht, das es zu gewinnen gilt. Es geht nicht um Millionen, nur um maximal zehn Fünf-Mark-Stücke. Es geht um ganz normale Menschen und ihre manchmal überaus interessante Arbeit. Niemand will wirklich etwas: Das Publikum soll nicht zu brüllendem Lachen gebracht werden. Die Ratenden müssen auch nicht unbedingt erfolgreich sein, im Gegenteil: Wenn sie es nicht sind, ist es viel schöner. Es geht um Freundlichkeit, um tatsächliches Interesse an der Arbeit von Leuten, die sonst nie im Fernsehen sind. Es geht um Lächeln, Leichtigkeit, Nonchalance. Um Heiterkeit.“ (S.. 17ff.)

Axel Hacke weiß im Übrigen, was mit ihm los ist. Er hatte – die Heiterkeit als Schreibanlass im Rücken und vor der Brust (Auftragsarbeit) „zwei mühsame Jahre hinter“ sich; „Krankheiten und Unglücksfälle in der Familie, zwei Angehörige waren gestorben, ein Familienmitglied bei einem Unfall schwer verletzt worden. Die Pandemie und alle damit verbundenen Probleme…“

Das ist in unserem Alter halt so. Die unbedingte Unbeschwertheit, eine unbefangene Heiterkeit geht mir seit dem 21. Juni 1994 ab. Alles andere ist seinen Weg gegangen, und wir stehen mit Glück und Dank der Familie zwar unterdessen in der ersten Reihe, aber immer noch mitten im Leben. Insofern hält sich sogar der Neid in Grenzen, der Axel Hacke ergreift angesichts der heiteren Menschen, die gelassen, entspannt und leicht durch die Tage schweben. Nein, so ist das Leben nicht. Die Ironie hilft – manchmal:

„Ohne die Ironie und ihre buntscheckigen Verwandten, ohne das Vielleicht und das Wer-Weiß, ohne das subversive Lächeln und das umstürzende Gelächter, ohne das Je ne sais quoi  und das Presque rien, ohne das Spiel zwischen Abbildungsernst und Darstellungsparodie, kurzum ohne jenen zivilisierenden Mehrwert, der in allem gut Gesagten über das Ausgesagte hinausgeht, wäre das Universum der metaphysischen Welterzeugungen in noch viel höherem Maß die von Binarismen strukturierte und von Dogmatismen geschürte Hölle geblieben, die es seinem Grundzug nach ohnehin gewesen ist.“ (Peter Sloterdijk, in: Luhmann-Lektüren, Berlin 2010, Seite 143)

Nicht nur gewesen ist! Geblieben ist – muss man hinzufügen. Denn Axel Hacke verabsäumt es nicht einen Mörder auch Mörder zu nennen. Auf der Hut, die Heiterkeit als absolute, bedingungslos anzustrebende Tugend zu loben, sagt er unmissverständlich: „Aber haben wir nicht auch Putin schon in heiterer Verfassung gesehen, den Killer, Massenmörder, den verkniffenen kleinen Spießer, im herzlichen Zusammensein mit Gerhard Schröder? Und ging nicht selbst Görings feistes Grinsen einst als heiter durch, war der Inbegriff einer fetten Leutseligkeit, die im Handumdrehen zu vernichtender Grausamkeit werden kann?“

Ja, lieber Axel Hacke – immer heiter weiter und weiter immer heiter, das stellst Du zu Recht unter den Vorbehalt, dass man schon auch ein anständiger Kerl sein sollte, wenn man Heiterkeit verströmt – und von Frauen dabei selbstverständlich nicht zu schweigen.

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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