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Wer hat hier eigentlich den Arsch auf? Aiwanger II

Süddeutsche Zeitung Am Wochenende, München, Samstag/Sonntag, 26./27. August 2023 – Titelseite:

Ein Bild Aiwangers vor einem Mikrofon – Headline: Aiwanger soll als Schhüler antisemitisches Flugblatt verfasst haben – Bayerns Vizeministerpräsident verbreitete in seiner Jugend offenbar rechtsextremes Gedankengut. Das legt ein Schriftstück nahe, das nun aufgetaucht ist. Der Freie-Wähler-Chef spricht von einer Schmutzkampagne

Auf Seite 3 dann von Katja Auer, Sebastian Beck, Andreas Glas, Johann Osel und Klaut Ott: Das Auschwitz-Pamphlet – Seit Wochen steigen die Umfragewerte von Hubert Aiwanger, ein Mann, von sich selbst berauscht. Aber jetzt ist da dieses Flugblatt, das er als Siebzehnjähriger geschrieben haben soll, eine Hetzschrift, in der es um das „Vergnügungsviertel Auschwitz" geht, um antisemitische Phantasien.

Die entscheidenden beiden letzten Sätze in diesem Beitrag lauten ganz am Schluss:

„Wenn das alles stimmt, kann man sich kaum vorstellen, dass er - Hubert Aiwanger - in einer Gedenkstunde sitzen könnte für Auschwitz oder Dachau. Es gibt ja nicht nur das Bierzelt, nicht mal in Bayern.“In der siebten Auflage in 2023 liegt brandaktuell Die Postkarte von Anne Berest vor. Titel, Thesen, Temperamente meint: „Mit Die Postkarte holt Anne Berest die Vergangenheit in die Gegenwart. Erhellend, spannend, virtuos.“ Le Figaro schreibt: „Anne Berest mischt die >große< Geschichte mit der >kleinen<, reist durch Jahre und Kilometer, um das schreckliche Schicksal ihrer Vorfahren, ihr Erbe, endlich zu verstehen.“ Und in der Rheinpfalz ist zu lesen: „Überaus beeindruckend, wie die Autorin die Schrecken der Vergangenheit ohne Pathos verdeutlicht und zugleich Verbindungen zu aktuellem Antisemitismus in Frankreich herstellt.“

Sich einmischen?

https://blog.zeit.de/leserbriefe/?wt_ref=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F&wt_t=1692958007987

Der Beitrag, zu dem man im Leserblog suchen muss heißt: Ist das links oder woke? Die Veröffentlichung in meinem Blog ist unter nachstehender Bemerkung verlinkt: Dies habe ich getan

Ich bin der ZEIT dankbar für den Blog der Leser. Man hat hier tatsächlich die Chance auch einmal etwas weiter auszuholen. Dies habe ich getan im Zusammenhang des Interviews Elisabeth von Thaddens mit Susen Neiman: "Ist das links oder woke" (ZEIT vom 17. August, Seite 39). Natürlich mag es billig sein, in Schrift und Wort im gesellschaftlichen Diskurs Stellung zu beziehen. Meine Auslassungen enden mit dem Appell, endlich ernsthaft zu prüfen, ob ein Verbot der AfD durchzusetzen ist. Dies scheint mir schon lange geboten - zuletzt so unfassbar eindrücklich, wenn ein bulgarischer Faschist auf dem Europa-Parteitag der AfD den Faschismus auf deutschem Boden wieder hoffähig macht und Flachbirnen wir Krah, der die Europa-Wahlliste der AfD anführt, ihn nicht nur beklatschen, sondern ihm geradezu huldigen. Es läuft gewaltig etwas schief, wenn Faschisten - wie Wladimir Putin - in aller Weltöffentlichkeit auftreten und uns ansabbern, ihre militärische Spezialoperation gelte der Ausmerzung des Faschismus in der Ukraine; wie gesagt all dies aus dem Mund eines vielfachen Mörders! Ich mag mich nicht mit Jan-Philipp Reemtsmas These vom unaufhebbaren Nichtbescheidwissen der Mehrheit abfinden. Wer AfD wählt, wählt auch die Wiederkehr rechtsradikaler Politikvorstellungen. Dies ist und bleibt in jeder Hinsicht unentschuldbar! Wer AfD wählt überschreitet eine rote Linie, die Anstand und Geschichtsbewusstsein uns verbieten zu überschreiten - einmal ganz abgesehen davon, dass er skrupellosen Rattenfängern auf den Leim geht, die für keines der drängenden politischen und sozialen Probleme eine vorzeigbare Lösung haben.

 

Der Friedensmaler von Frederik Vahle (1983)

Der Friedensmaler von Frederik Vahle (1983)

Da war ein kleiner Junge, und der lief hinein ins Haus
und packte in der Küche seine Zeichensachen aus.
Er saß da, wo man immer den Himmel sehen kann,
nahm Pinsel und nahm Farben und fing zu malen an.

Er malte in den Himmel eine große Sonne rein.
Darunter auch zwei Menschen, einen groß …
    und einen klein.
Und neben diesen Menschen fing er zu schreiben an.
Er schrieb mit sehr viel Mühe, dass man’s
gut lesen kann.

Immer soll die Sonne scheinen!
Immer soll der Himmel blau sein!
Immer soll Mutter da sein!
Und immer auch ich!

Aus diesen Kinderworten, da hat zu später Nacht
`ne Frau mit viel Musik im Kopf ein kleines Lied gemacht.
Das Lied kam bis nach Frankreich. Yvonne
    und auch Madeleine,
die sangen es zusammen sehr deutlich und sehr schön.

Gardez-nous le soleil!
Gardez-nous le bleu du ciel!
Gardez-nous ma mère en vie!
Gardez-moi mon avenir!

Das Lied kam nach Amerika und über den Ozean.
Ein Sänger, der Pete Seeger hieß, der fing zu singen an.
Er sang für den Frieden in der Welt,
    für den Frieden in USA.
Und die Kinder sangen es alle mit, weil das
    auch ihr Lied war.

May there always be sunshine!
May there always be blue skies!
May there always be mama!
May there always be me!

Doch einmal fragten die Leute: Wo lebt er,
    in welcher Stadt,
der Junge, der diese Worte zuerst geschrieben hat?
Der Junge lebt in Moskau. Sein Vater fiel im Krieg,
und er hatte in seiner Sprache die Welt
    und den Frieden lieb

Pust fsegda budjet sonze!
Pust fsegda budjet njeba!
Pust fsegda budjet mama!
Pust fsegda budu ja!

Immer soll die Sonne scheinen!
Immer soll der Himmel blau sein!
Immer soll Mutter da sein!
Und immer auch ich!

Am Ende braucht man eine Geschichte darüber, dass das Leben nicht vergeudet war!

Am Ende braucht man eine Geschichte darüber, dass das Leben nicht vergeudet war. Zumindest meint dies Eva von Redecker, die mich mit Bleibefreiheit endlich eingeholt hat in meinem Denken und Fühlen.

Dass man eine Geschichte darüber benötige, dass das Leben nicht vergeudet war, hat mein persönliches Gravitationszentrum so eingenordet, dass seit mehr als 25 Jahren Geschichten, Gedichte und Reflexionen entstehen, die sich an dieser Mammutaufgabe abarbeiten.

Am Anfang dieser Bemühungen steht ein gnadenloser Lehrmeister mit scharfrichterlicher Strenge, der sich in seinem letzten zu Lebzeiten veröffentlichen Aufsatz mit Erziehung auf der einen Seite und der Formung des Lebenslaufs auf der anderen Seite auseinandergesetzt hat (siehe: hier); ein Vermächtnis mit durchgreifenden Folgen für den Versuch, sich selbst auf die Spur zu kommen. Niemand wird seiner Einsicht nach einen solchen Versuch unternehmen können, ohne dafür Inkonsistenzbereinigungsprogramme zu bemühen; Inkonsistenzbereinigungs-programme, die eine Sinnstiftung ermöglichen, mit der man leben und sterben kann. Niklas Luhmann schreibt dazu:

„Ein Lebenslauf ist, um einen hochabstrakten Einstiegsbegriff zu wählen, eine Beschreibung, die während des Lebens angefertigt und bei Bedarf revidiert wird. Der Lebenslauf schließt die vergangenheitsabhängige, aber noch unbestimmte Zukunft ein […] Die Einheit des Lebenslaufs muss also Vergangenheit und Zukunft umgreifen, ohne doch eine teleologische Struktur aufzuweisen. Sie liegt in einer Integrationsleistung von Nichtselbstverständlichkeiten. Sie ist eine rhetorische Leistung, eine Erzählung. Die Komponenten eines Lebenslaufs bestehen aus Wendepunkten, an denen etwas geschehen ist, was nicht hätte geschehen müssen (Frankfurt 1997, Seite 18f.).“

Machen wir unsere Demokratie zu einer wehrhaften Demokratie!

Elisabeth von Thadden im Gespräch mit Susan Neiman (ZEIT 35/2023, Seite 39)

In diesem Gespräch vertritt Susan Neiman die These, die Unterscheidung zwischen vernünftigen Gründen und Gewalt sei keine andere als die zwischen Demokratie und Faschismus. Sie bemüht bzw. installiert dazu gewaltige Prämissen, deren gewaltigste folgendermaßen lautet:

„Aber wie Rousseau meine auch ich: Es sind vor allem zwei Eigenschaften, die alle Menschen gemeinsam haben. Sie fühlen ein Mitleid, das jeder Vernunft vorausgeht, wenn jemand in ihrer Nähe Schmerzen leidet, und sei diese Empathie noch so flüchtig. Wenn ein Baby weint, dreht sich jeder nach ihm um. Die zweite ist: Wir spüren eine Sehnsucht nach Freiheit und wehren Beschränkungen unserer Freiheit ab.“

Zwei Mal erfolgt in diesem Gespräch zwischen Elisabeth von Thadden und Susan Neiman ein Rekurs auf Carl Schmitt, den „Nazi-Staatsrechtler“ (wie von Thadden ihn nennt). Zum einen habe Schmitt behauptet, wer Menschheit sage, wolle betrügen. Susan Neiman hält dem entgegen:

„Wer von Menschheit spricht, erhebt normative Ansprüche. Nichts anderes bedeutet es zu sagen, die Würde des Menschen sei unantastbar. Faktisch wird die Würde unvorstellbar verletzt. Aber normativ soll es so nicht sein.“

Carl Schmitt war ein skrupelloser Hasardeur, dem man alles vorwerfen kann, was den Menschen zum Unmenschen qualifiziert (siehe seine nachgelassenen Tagebücher). Eines kann man ihm allerdings nicht vorhalten: Klar und unmissverständlich in seinen politischen Unterscheidungen gewesen zu sein. Auf Seite 26 seiner 1932 erstmals erschienenen Schrift Der Begriff des Politischen heißt es:

"Eine Begriffsbestimmung des Politischen kann nur durch Aufdeckung und Feststelllung der spezifisch politischen Kategorien gewonnen werden. Das Politische hat nämlich seine eigenen Kriterien, die gegenüber den verschiedenen, relativ selbständigen Sachgebieten menschlichen Denkens und Handelns, insbesondere dem Moralischen, Ästhetischen, Ökonomischen in eigenartiger Weise wirksam werden. Das Politische muß deshalb in eigenen letzten Unterscheidungen liegen, auf die alles im spezifischen Sinne politische Handeln zurückgeführt werden kann. Nehmen wir an, daß auf dem Gebiet des Moralischen die letzten Unterscheidungen Gut und Böse sind; im Ästhetischen Schön und Häßlich; im Ökonomischen Nützlich und Schädlich oder beispielsweise Rentabel und Nicht-Rentabel. Die Frage ist dann, ob es auch eine besondere, jenen anderen Unterscheidungen zwar nicht gleichartige und analoge, aber von ihnen doch unabhängige, selbständige und als solche ohne weiteres einleuchtende Unterscheidung als einfaches Kriterium des Politischen gibt und worin sie besteht (S. 26)?"

   
© ALLROUNDER & FJ Witsch-Rothmund
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